Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.
Januar
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.
Erich Kästner – Der Januar in „Die 13 Monate“
Februar
Nordwind bläst. Und Südwind weht.
Und es schneit. Und taut. Und schneit.
Und indes die Zeit vergeht,
bleibt uns doch nur eins: die Zeit.
Erich Kästner – Der Februar in „Die 13 Monate“
März
Schneeglöckchen ahnen nun,
was sie bedeuten.
Wenn du die Augen schließt,
hörst du sie läuten.
Erich Kästner – Der März in „Die 13 Monate“
April
Über die Hänge läuft grünes Feuer
die Büsche entlang und die Pappeln hinan.
Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer.
Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer,
weil er sich nicht mehr wundern kann.
Erich Kästner – Der April in „Die 13 Monate“
Mai
Im Galarock des heiteren Verschwenders,
ein Blumenzepter in der schmalen Hand,
fährt nun der Mai, der Mozart des Kalenders,
aus seiner Kutsche grüßend, über Land.
Erich Kästner – Der Mai in „Die 13 Monate“
Juni
Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.
Erich Kästner – Der Juni in „Die 13 Monate“
Juli
Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort
auch die künftigen Brötchen und Brezeln.
Eidechsen zucken von Ort zu Ort.
Und die Wolken führen Regen an Bord
und den spitzen Blitz und das Donnerwort.
Erich Kästner – Der Juli in „Die 13 Monate“
August
Nun hebt das Jahr die Sense hoch
und mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muß mähen.
Und wer mäht, muß säen.
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
Erich Kästner – Der August in „Die 13 Monate“
September
Die Stare gehen auf die Reise.
Altmännersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
Erich Kästner – Der September in „Die 13 Monate“
Oktober
An den Wegen, in den Wiesen
leuchten, wie auf grünen Fliesen,
Bäume bunt und blumenschön.
Sind’s Buketts für sanfte Riesen?
Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.
Erich Kästner – Der Oktober in „Die 13 Monate“
November
Was man besaß, weiß man, wenn man’s verlor.
Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen.
Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen.
Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor.
Und der November trägt den Trauerflor …
Erich Kästner – Der November in „Die 13 Monate“
Dezember
Das Jahr ward alt. Hat dünne Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Erich Kästner – Der Dezember in „Die 13 Monate“
Der Zyklus: http://www.erich-kaestner-kinderdorf.de/Gedichte.htm